Geschichte der SPD Rees

Reeder Markt vor 1945 Bild: Harry Schulz

Gründung der Reeser SPD

In Rees gab es bereits vor dem 1. Weltkrieg eine lose Verbindung von SPD Anhängern. Man traf sich im „Bestemodersgängsken“, einem Feldweg am Ende der Ward’schen Straße. Auf beiden Seiten des Weges standen grüne Hecken. Hier in der freien Natur waren die Reeser Genossen relativ ungestört. Denn einfach hatten es die „Sozis“, wie sie häufig abfällig genannt wurden, im Kaiserreich nicht.

Et Bestemodersgängsken

En kom dat Fruchjohr dann heran, nor Bestemodersgängsken ging et dann. Witt wass de Weg, de Fütjes deije weh mor blöjen Veiljes dor so schön.

In den bürgerlichen und wohlhabenden Schichten war oft regelrechter Haß gegenüber den Zielen der Sozialdemokratie vorhanden. Sozialdemokraten mussten wegen ihrer Gesinnung ständig um ihren Arbeitsplatz bangen. Sie wurden als „vaterlandslose Gesellen“ verleumdet auch in Rees.

In den grauen Herbsttagen des Jahres 1918 überstürzten sich in Deutschland die Ereignisse: Der 1. Weltkrieg nähert sich seinem Ende. Im Wald von Compiegne laufen Waffenstillstandsverhandlungen zwischen dem Deutschen Reich und seinen Kriegsgegnern. Kaiser Wilhelm II. verzichtet auf den Thron. Am 9. November 1918 tritt Reichskanzler Prinz Max von Baden zurück. Der SPD Vorsitzende Friedrich Ebert übernimmt daraufhin die Regierungsgeschäfte. Am gleichen Tag ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann in Berlin die Deutsche Republik aus. Nach dem Zerfall der Monarchie und dem Ende des blutigen Weltkrieges sollte nun alles anders werden.

Auch im kleinen Rees mit seinen wenigen tausend Einwohnern sind politische Änderungen spürbar: In dem Gebäude, in dem heute die Stadtbücherei untergebracht ist, wird im November 1918 die Reeser SPD offiziell gegründet. Damals war das Haus eine Gaststätte und Elternhaus des Niederrhein Malers Hein Scholten. Seine Eltern besaßen in der Jungblutstraße damals eine Brauerei. Im SPD Gründungsgebäude stand 1918 der Wirt Knuppertz aus Duisburg hinter dem Zapfhahn. Er war es auch, der die Gründung dann organisierte. Bernhard Wickermann (geboren am 18. August 1893 in Millingen), Sohn einer Haldernerin und eines Grietherbuschers, gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Karl van Vorst (geboren am 21. November 1896 in Wesel) zog zusammen mit seinen Eltern 1904 nach Rees. Seine Mutter kam aus Millingen. Auch Karl van Vorst war einer der Gründer der Reeser SPD. Von der Gründungsversammlung haben Bernhard Wickermann und Karl van Vorst einmal Heinrich Terhorst erzählt:

So sollen bei der Gründung etwa 15 Personen dabei gewesen sein. Zum ersten Vorsitzenden machten die SPD Gründer in Rees den Zigarrenmacher Franz Verweyen. Sein Beruf war damals in Rees weit verbreitet, denn Hauptarbeitgeber am Ort war die Tabakindustrie. Die meisten Arbeiter waren Zigarrenmacher, die durch Heimarbeit ihr Brot verdienten. Reichtümer waren dabei nicht zu gewinnen. Zweiter Vorsitzender der Reeser SPD wurde bei der Gründungsversammlung Karl van Vorst. Er war am Tag der Gründung Anfang 20 nach heutigen Begriffen also ein „Jungsozialist“, ein „Juso“.

Bernhard Wickermann war bereits seit 1911 als Mitglied der SPD in Duisburg eingetragen. Er wurde bei der Bildung der SPD Rees zum Kassierer ernannt. Der Monatsbeitrag lag damals bei 25 Pfennig was dem Preis für einen guten Liter Vollmilch entsprach.

Außerdem waren bei der Gründung noch dabei:

Wirt Knuppertz, Albert Hermsen, Otto Hermsen, Paul Arendsen, Stephan Arendsen, „Kneter“ Kitzinger, Hein Kitzinger, Karl Stockhorst, Hermann Herr, Johann Niemetz, Otto Ketzinger, Jan Stratmann, Gus Hommen, Wilhelm Jansen und Tön Heuser.

Später erhielt die SPD Rees dann durch Wilhelm Mengels, Paul Pens, Lorenz Wächter, Gerd Pohle, Alois Kevelar, Johann Düffels, Heinrich Grins, Hein Hommen, Bernd Kitzinger, Theo Ahnendorp, Paul Renz, Willi Freimuth und Will Spicher Zuwachs.

Schon bald war ein Mitgliederstand von 50 bis 60 erreicht.

Später wurde dann Lorenz Wächter Erster Vorsitzender. Nach seinem Tode übernahm Gus Hommen das Amt. Er wohnte in der Deichstraße. Die Arbeit der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Deutschland trug Früchte. Am 12. November 1918 verwirklichte der Rat der Volksbeauftragten eine alte Forderung der SPD: das Wahlrecht für Frauen. Heute eine Selbstverständlichkeit, damals ein echter Sieg, ein Ziel, für das jahrelang gekämpft worden war. Auch das Drei Klassen Wahlrecht wurde abgeschafft und durch freie, demokratische Wahlen ersetzt. Damit bestimmte nicht mehr der Besitz die Bedeutung der Wählerstimme.

Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben für die Freiheit und die Demokratie schwere Opfer gebracht. Ein Umsturzversuch der nationalen, rechtsgerichteten Kräfte ist durch den entschlossenen, solidarischen Widerstand der Gewerkschaften und der SPD, die zum Generalstreik aufrufen, zum scheitern verurteilt. Die junge Demokratie hat dieser harten Prüfung noch standgehalten. Viele Deutsche aber sind nach wie vor gegen die Demokratie und die Weimarer Republik.

Doch zurück an den Niederrhein, zurück nach Rees: Vereinslokal der Reeser SPD wurde die Gaststätte „Hanrats“, später auch als „Zur Flora bekannt geworden.

Das Gründungslokal der SPD Rees am Markt wurde unterdessen umgebaut und Sitz des Gemeindeamtes Rees Land unter der Leitung von Bürgermeister Dr. Frey. Gründungswirt Knuppertz zog nach Duisburg zurück.

1919 findet die erste Gemeindewahl nach dem 1. Weltkrieg statt. Von der SPD ziehen am 2. März Stephan Arendsen, Bernhard Kitzinger und Hermann Venhofen in den Stadtrat ein. Ihnen stehen 15 Vertreter des Zentrums gegenüber. Wilhelm Jansen tritt am 12. November 1919 die Nachfolge von Bernhard Kitzinger an. Bei der nächsten Gemeindewahl 1922 stellt die SPD bereits fünf Stadtvertreter: August Hommen, Wilhelm Jansen, Gerhard Pohle, Karl Stockho~st und Hermann Venhofen treten am 13. Juli 1922 ihr Mandat an. Ihnen stehen acht Vertreter der Zentrumspartei und fünf Vertreter der Reichspartei des Deutschen Mittelstandes gegenüber.

Die nächste Gemeindewahl 1924 bringt einen Rückschlag für die SPD. Sie stellt am 22. Mai nur noch drei Stadtvertreter: Paul Arendsen, August Hommen und Lorenz Wächter. Die Zentrumspartei erringt wieder acht Mandate und die Reichspartei des Deutschen Mittelstandes erneut fünf.

Bei der Wahl 1929 erlangen die SPD Vertreter Hermann Herr, Anton Heuser, Lorenz Wächter und Johann Düffels ein Mandat. Am 6. Dezember 1929 treten sie es an. Das Zentrum stellt diesmal sieben Stadtverordnete und die Reichspartei des Deutschen Mittelstandes wiederum fünf.

Bei der letzten demokratischen Kommunalwahl werden am 18.November 1932 die SPD Mitglieder Johann Düffels, Johannes Heuser, Ludwig Kevelar, Bruno Kliemann und Lorenz Wächter in den Rat gewählt.

Am 6. März 1933 findet eine Gemeindewahl statt. Karl Stockhorst und Karl van Vorst erlangen Stadtvertreter Mandate für die SPD. Das Zentrum stellt acht Vertreter, die Reichspartei des Deutschen Mittelstandes stellt zwei Stadtvertreter. Die Nazis ziehen mit Ewald Kersten, Heinrich Lohmann und Gustav Saalmann in das Stadtparlament ein.

Karl van Vorst, der 1933 Erster Vorsitzender der SPD und des Reichsbanners Schwarz Rot Gold in Rees ist, und der zweite SPD Ratsherr, Karl Stockhorst, verweigern in der ersten Sitzung des neuen Rates den Hitlergruß. Beim Horst Wessel Lied erheben sie sich nicht von den Plätzen. Daraufhin werden die SPD Abgeordneten aus der Stadtvertretung ausgeschlossen und für zwei Jahre unter Polizeikontrolle gestellt. Kurze Zeit nach der Machtergreifung Hitlers wurde die SPD auch in Rees aufgelöst. Die Nazis regieren in Deutschland, auch in Rees wird die Synagoge zerstört. Sie lag in der, Oberstadt 16. Auch in Rees werden Juden verfolgt.

Als Folge des misslungenen Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 finden überall in Deutschland Vergeltungs und Terrormaßnahmen der Nazis statt. In Rees werden Johann Düffels und Karl Stockhorst von der SPD sowie Fritz Arendsen und Eduard Loos vom Zentrum in „Schutzhaft“ genommen. Kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges sinkt Rees in Schutt und Asche.